Andreas Kahnert

Fast 30 Jahre lang Gewerkschaftssekretär

02.12.2020 | Andreas Kahnert war fast 30 Jahre lang Gewerkschaftssekretär der Geschäftsstelle Ludwigsfelde. Zum Jahreswechsel wechselt auch er in die Ruhephase der Altersteilzeit und verlässt damit die Geschäftsstelle. Grund genug, mit ihm ein Interview zu führen.

Kannst Du Dich noch daran erinnern, mit welchen Vorstellungen Du bei der IG Metall angefangen hast?
Ich kannte die Geschäftsstelle ja schon ein wenig, weil ich im April 1991 als Betriebsrat des Schwermaschinenbau Wildau in den ersten Ortsvorstand gewählt wurde. Wie so viele andere um die 30 war ich ein Betriebsrat mit „Wendeleidenschaft“. Wir dachten, wir verändern alles und drehen alles um. Wir waren aber auch gleich mit der harten Realität konfrontiert. Am 21. Februar 1991 wurde der Sozialplan in Wildau unterschrieben, der 600 Beschäftigte Personalabbau zum Inhalt hatte.
Damals hat mich ein Kollege aus NRW, Hartmut Knupp, im Hintergrund beraten. Er hat mich dann auch gefragt, ob ich bei der IG Metall anfangen will. Als ich am 1. August 1991 voller Tatendrang anfing, war meine erste Aufgabe, die 100-Jahr-Feier der IG Metall zu organisieren. Danach kam der Alltag. Sehr viele unserer über 13.000 damaligen Mitglieder haben unsere Unterstützung gebraucht.

Auf welche tarifpolitische Entwicklung bist Du besonders stolz?
Ein Thema hat mich eigentlich immer begleitet. Das war die Idee der Gleichstellung der Arbeitsbedingungen von Arbeitern und Angestellten. Schon im Osten habe ich die Ungleichbehandlung der Beschäftigen nicht verstanden. Mit dem ersten Tarifvertrag haben wir in Wildau mehr als 3000 Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten neu eingruppiert. Damals fiel mir ein im Westen noch gar nicht umgesetzter einheitlicher Tarifvertrag aus NRW in die Hände. Das sollte mich die ganze Zeit begleiten. Eine ERA-Einführung war damals nicht möglich, weil die Ostdeutschen mehrheitlich die westdeutschen Regelungen haben wollten. Aber später an der Entwicklung des Tarifvertrages mitzuarbeiten, war genauso spannend wie 2006, als wir bei Schaeffler in Luckenwalde als einen der ersten Betriebe bundesweit ERA eingeführt haben.

Gab es auch bittere Niederlagen zu verarbeiten?
Da muss man ganz klar den verlorenen Streik von 2003 um die 35-Stundenwoche im Osten nennen. Zu den Ursachen des Abbruchs des Streiks hatten damals wie heute alle ihre eigene Meinung und die Funktionäre der IG Metall waren sofort mit der Ursachenforschung beschäftigt. Der Streik wurde Samstag abgebrochen und ich war in der darauffolgenden Woche ab Schichtbeginn bei Mercedes. Angenehm war das damals nicht. Von unseren Metallern wurde ich vollgemotzt, weil sie weitergekämpft hätten und von den Streikbrechern mit Häme begrüßt. Die Situation hat damals ganze Teams zerrissen und es sind Freundschaften zerbrochen, weil die einen für die 35 Stundenwoche waren und die anderen dagegen. Es war trotzdem sehr wichtig, sich damals der Situation zu stellen. Bei mir ist aber schon der Eindruck geblieben, dass sich einige Funktionäre der IG Metall um die Falschen gekümmert haben.

Was bleibt nach fast 30 Jahren Gewerkschaftsarbeit?
Danke für den Super-Job, den ich machen durfte. Ich habe dadurch einen Haufen toller Leute kennenlernen dürfen. Ich kann auf 30 Jahre Ost und 30 Jahre West zurückblicken. Damals war ich politisch unbelastet, aber alt genug, um Verantwortung zu übernehmen.
20 Jahre Jugendarbeit haben mich fit gehalten. Danke an alle! Mein Fazit: Das wichtigste für einen Gewerkschaftssekretär ist, dass die Kolleginnen und Kollegen Vertrauen in die Person und den gemeinsamen Weg haben. Das ist mir „ab und zu“ gelungen und war die Basis von allem.
Die Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsstelle sagen Danke für die fast 30 Jahre Arbeit in der Geschäftsstelle und das Engagement oft auch über den Feierabend hinaus. Wir wünschen Dir alles Gute!

Von: kj

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