16.08.2019 | Wie können Fachkräfte gehalten und gewonnen werden? Wie sollten Arbeitsbedingungen und -zeiten gestaltet werden, damit Beschäftigte eine gute Arbeit haben? Darüber diskutierten Unternehmer, Gewerkschafter, Wissenschaftler, Betriebsräte und Politiker beim „Branchendialog Holz“ am 16. August in Baruth.
Zunehmende Digitalisierung und Automatisierung stellen auch Unternehmen und Beschäftigte in der holzverarbeitenden Industrie vor große Herausforderungen. Brandenburg ist ein industrielles Zentrum der holzverarbeitenden Industrie in Ostdeutschland. Die Branche trägt mit mehr als 4.200 Beschäftigten erheblich zur Beschäftigungssicherung und Innovationskraft im Land bei.
Mit dem Holzkompetenzzentrum Baruth wurde seit 1993 ein industrieller Kern mit einer nahezu vollständigen Wertschöpfungskette entwickelt. Ansässige Unternehmen produzieren auf einem sehr hohen verfahrenstechnischen Niveau. Das Holzkompetenzzentrum Baruth ist im ländlichen Raum angesiedelt und regionaler beschäftigungspolitischer Leuchtturm mit überregionaler Ausstrahlungskraft.
Rund 35 Betriebsrätinnen und Betriebsräte waren unter den 70 Teilnehmenden der Konferenz, die mehr als 2.200 Kolleginnen und Kollegen der Holz-Branche in Brandenburg vertreten.
Tobias Kunzmann, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigsfelde, betonte, es sei unabdingbar, in einen intensiven und regelmäßigen Austausch zu kommen, um gemeinsam die aktuellen Probleme zu lösen. „Demographischer Wandel und Fachkräftemangel machen auch vor der Holzindustrie nicht halt. Zentrale Bausteine, um die vorhandenen Berufe attraktiver zu machen, sind dabei eine attraktive Vergütung, bessere Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist nur mit einer Tarifbindung erreichbar.“
„Wenn wir den Sprung zur Digitalisierung nicht schaffen, werden wir abgehängt“, sagte Torsten Fritz, Abteilungsleiter Wirtschaftsförderung im Brandenburger Wirtschaftsministerium. Daher habe die Wirtschaftsförderung zahlreiche Instrumente geschaffen, um alle Unternehmen auf diesem Weg zu begleiten. Für die Unternehmen der Holz- und Holzwerkstoffindustrie gelten die gleichen Förderkonditionen wie für alle anderen Branchen, so Fritz. Er betonte die Bedeutung von Fachkräften für die Holz-Branche. Allerdings sei die duale Ausbildung in Brandenburg „leider“ rückläufig. Die Fachkräftesicherung bleibe weiterhin die Aufgabe der Unternehmen, so Fritz.
Einen Überblick zur Industrie 4.0 und ihrer Bedeutung für die Branche gab Volker Thole, Professor für Produktion und Verwertung von Holzwerkstoffen an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Er betonte vor allem die Bedeutung von Qualifizierung für die Beschäftigten.
„Gute Arbeit ist ein Muss auch in der Holzindustrie“, sagte Ralf Kutzner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. „Aber 30 Jahre nach Mauerfall gibt es immer noch den – längst widerlegten – Glauben, dass geringere Löhne zu einer prosperierenden Wirtschaft beitragen. Solange dieses neoliberale Glaubensbekenntnis reale Politik darstellt, solange bleibt die soziale und damit die wirtschaftliche Angleichung unerreichbar.“
Kutzner weiter: „Die Frage der Tarifbindung ist für die IG Metall die zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Wir brauchen an dieser Stelle wieder mehr Ordnung am Arbeitsmarkt! Die IG Metall hat ganz konkrete Forderungen an die Politik zur Unterstützung für mehr Tarifbindung:
- Arbeitgeber müssen offenlegen, ob und in welchem Arbeitgeberverband sie Mitglied sind.
- Die Verbindlichkeit von Tarifverträgen soll erhöht werden. Treten Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband aus, sollten Tarifverträge kollektiv nachwirken, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird.
- Die Vergabe von Fördermitteln muss an Tarifbindung gekoppelt sein. Das ist aus Sicht der IG Metall eine wichtige Stellschraube zur Schaffung von guter Arbeit, gerade in Ostdeutschland.“ Kutzner betonte auch: „Gute Tarifverträge in der Holzindustrie gibt es nur mit aktiven Beschäftigten!“
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Holz und Kunststoff Nord-Ost Herbert Merkel betonte, dass er bei der Digitalisierung keine Quantensprünge in der Branche erwarte. Die zunehmende Automatisierung trage zur Entlastung beim Fachkräftemangels bei, so Merkel. Die lebenslange Qualifizierung der Beschäftigten müsse eine Aufgabe der Betriebe sein.
In der anschließenden Diskussion definierten die Betriebsrätinnen und Betriebsräte ihre Kernthemen für Gute Arbeit: Arbeitszeit, Bezahlung, Qualifizierung. Nur wenn hier in Tarifverträgen weitere Schritte erreicht werden, ist man für junge Nachwuchskräfte attraktiv genug. Die Baruther Kolleginnen und Kollegen forderten ebenso eine bessere Infrastruktur – wie etwa eine Verkehrsanbindung der Betriebe an den öffentlichen Nahverkehr.
Durchgeführt wurde die Veranstaltung im Alten Schloss Baruth vom IMU-Institut Berlin Brandenburg Sachsen auf Initiative der IG Metall Ludwigsfelde mit Unterstützung der Stiftung Neue Länder.