26.04.2018 | Die Betriebsratswahlen sind – wie überall im Land – in vollem Gange. Mercedes in Ludwigsfelde hat bereits gewählt und auch die konstituierende Sitzung hat stattgefunden. Dabei sind sowohl der Vorsitzende als auch sein Stellvertreter neu ins Amt gewählt worden. Beide kommen aus dem Bereich der Montage und sind gestandene Metaller. Hanns Christoph Schneider ist 53 Jahre alt und neuer Vorsitzender des Betriebsrats. Sein Stellvertreter Thomas Rackwitz ist 54 Jahre alt.
Hanns ist erst der vierte Betriebsratsvorsitzende, seit es Mercedes Benz in Ludwigsfelde gibt. Grund genug, mit den Beiden über ihr neues Amt und ihre Vorstellungen zu sprechen.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl und dem neuen Amt. Seht Ihr für Euch und Eure Arbeit einen ausreichenden Rückhalt im Betriebsratsgremium und in der Belegschaft?
Hanns: Wir sind beide im Betriebsratsgremium ohne Gegenstimme und Enthaltung gewählt worden und wir hatten beide nach dem bisherigen Vorsitzenden Lutz-Peter Portsch und seinem Stellvertreter Torsten Hoffmann die besten Wahlergebnisse. Da sich Lutz demnächst in seine Altersteilzeit verabschieden darf und Torsten nicht mehr wollte, war die Zeit für uns einfach reif. Wir hatten das lange diskutiert und letztlich die Herausforderung angenommen.
Thomas: Wir waren in der Tarifrunde und auch davor schon ein gutes Gespann. Hanns als Stratege und ich als Trommler in der Öffentlichkeit. Den Drive aus dem Vertrauensleutefilm vom letzten Jahr und der Tarifrunde wollten wir in die Wahl mitnehmen. Das ist gelungen. Jetzt müssen wir das auch in den betrieblichen Alltag übersetzen. Unser Wahlergebnis ist natürlich auch ein Auftrag. Wir haben uns beide vorgenommen, dass wir unsere Basis in der Montage nicht verlieren wollen. Wir werden auch zukünftig dort zu sehen sein.
Betriebsratsarbeit ist Teamarbeit. Seid Ihr mit der Zusammensetzung des Betriebsrats zufrieden?
Hanns: Wir sind zwei aus der Produktion, was es bislang beim Mercedes-Betriebsrat noch nicht gegeben hat. Auch sonst sind relativ wenig Vertreter aus dem Angestelltenbereich in den Betriebsrat gewählt worden. Dies wird eine Herausforderung, diese Bereiche zu vertreten und den Informationsfluss herzustellen.
Thomas: In den Betriebsrat sind bis auf eine Ausnahme alles Metallerinnen und Metaller gewählt worden, und anders als früher sind auch die Bereiche Oberfläche und technischer Service stark vertreten. Deshalb stimmt die Mischung schon.
Vor welchen konkreten Herausforderungen steht Ihr als Betriebsräte?
Hanns: Beim Umbau und beim Anlauf der Produktion hat bei weitem nicht alles so hingehauen, wie es geplant war. Ohne Schuld der Mannschaft ist deshalb ein Rückstand von mindestens 1500 Fahrzeugen entstanden und es werden fast täglich mehr. Zusätzlich hat uns der Betrieb mitgeteilt, dass unser Produkt sehr gefragt ist und das Produktionsprogramm für das laufende Jahr 2018 zusätzlich um weitere 1500 Fahrzeuge aufgestockt werden soll. Unsere Geschäftsführung braucht also die Betriebsräte und vor allem die Belegschaft, um damit klarzukommen. Wir müssen unsere Leute vor krankmachenden Bedingungen und Überforderung schützen. Deshalb werden wir nicht jedem Wunsch des Arbeitgebers auf zusätzliche Schichten am Wochenende zustimmen.
Thomas: Wir müssen uns auch zeitnah um die Umsetzung des Tarifabschlusses kümmern. Acht Tage zusätzlich frei oder tarifliches Zusatzgeld und der Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeiten ganz generell ist in einem Dreischichtbetrieb nicht ganz einfach umzusetzen.
Hanns: Auch andere übergeordnete Dinge müssen wir im Blick behalten. Die Zukunft des Standorts zu erhalten und zu gestalten, wenn unser Betrieb im Konzern Vorreiter in Sachen Industrie 4.0 und Digitalisierung sein möchte, ist eine Herausforderung. Das müssen wir als Betriebsräte stärker als bislang kritisch begleiten.
Seid Ihr mit dem jüngsten Tarifabschluss zufrieden?
Hanns: Wir waren ein gutes Team in einer insgesamt erfolgreichen Tarifrunde. Daraus ergibt sich aber auch ein klarer Auftrag: Wir müssen jetzt liefern, und zwar auch im Hinblick auf eine Bewegung bei der 35-Stundenwoche.
Thomas: Ich habe als Mitglied der Verhandlungskommission mitbekommen, wie mühsam die Gesprächsverpflichtung zu dem Thema war. Die Stimmung bei uns im Betrieb zum Tarifabschluss ist positiv. Aber es erwarten auch alle, dass es jetzt ein Stück vorwärts geht. Sei es über die Gesprächsverpflichtung mit dem Verband. Oder wir machen es wie die großen Automobilunternehmen in Sachsen. Wir greifen uns auch unseren Konzern und verhandeln direkt mit ihm, wie die Arbeitszeit endlich an die im Konzern übliche 35-Stundenwoche angeglichen werden kann. Das ist so lange nach der Wende überfällig.
Hanns: Eigentlich kann ein Unternehmen, dass soviel Wert auf Marktführerschaft und Spitzentechnologie legt, sich gar nicht leisten, bei den Arbeitszeiten hinter VW, Porsche und BMW zurückzustehen.
Thomas: Ich sage aber auch unseren Leuten immer: Von nichts kommt nichts, wir müssen im Betrieb mehr Metallerinnen und Metaller werden und auch die Vertrauensleutearbeit intensivieren.
Das Interview führte Tobias Kunzmann.